Zunehmend häufig anzutreffende Stilblüte
Die Wendung „Sie steht wie ein Fels hinter ihm“ bekomme ich erstaunlich oft zu sehen – steht diese Stilblüte kurz vor der Einbürgerung?
Zwei Bildwelten werden zu einer
Metapher A:
„Hinter jemandem stehen“ bedeutet, jemandem beizustehen, zu jemandem zu halten, dessen Position in einer Gruppe vakant ist oder angefochten wird. Ob man die Ansichten desjenigen teilt oder nicht, man hält ihm – bildlich gesprochen – den Rücken frei, damit dieser seine Position nach vorn vertreten, halten und ausbauen kann. Im traditionellen Rollenbild steht „sie“, die Frau, hinter „ihm“, ihrem Mann; heute wird die Wendung auch oft umgekehrt oder gleichgeschlechtlich verwendet.
Metapher B:
Wie ein „Fels in der Brandung“ (jemand ist
ein Fels in der Brandung, jemand steht
wie ein Feld in der Brandung) steht für die Wirkung einer Person, die unerschütterlich und unbeirrt bleibt, ist oder dasteht, egal, wie heftig die bildliche Brandung ihr (im Sturm) entgegenschlägt. Ganz gleich, wie andere sich in schwierigen Situationen verhalten, auf diese Person ist Verlass.
A + B = C?
In der Wendung „jemand steht wie ein Fels hinter jemandem“ werden die beiden Metaphern zu einer verschmolzen. Auf einer bildlichen
Ebene ergibt diese durchaus Sinn, dieser neue Sinn ist jedoch unfreiwillig komisch: Der Fels kriegt die ganze Brandung ab.
Das sagt die Linguistik zum Phänomen
Nach Hermann Paul liegt hier eine „Kontamination“
auf Satz-, nach Ferdinand de Saussure ein „Syntagma“
auf Phrasenebene vor, wobei die Semantik der Satzglieder zu einer neuen Metaphorik führt.
Die moderne Linguistik zieht mentale Prozeduren in die Analyse mit ein. Demnach liegt hier ein Sprachplanungsfehler
vor, indem die eine Wendung mit der anderen scheinbar komplettiert wird. Die Metaphorik der einen Wendung kollabiert indes mit der der anderen und führt zu einer nicht intendierten neuen Bildlichkeit.